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#1 20.09.2004 02:08

Zimond
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Beiträge: 1.032
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Heribert Uhlenstein - 1. Kapitel

Das hier hab ich mal geschrieben aber dann nie weiter geführt.. eigentlich schade...
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Heribert UHLENSTEIN :

Wenn’s sonst nichts ist


  Es war Mittwoch und ein recht lauer Abend. Die Luft draußen roch wie das feuchte Ergossene eines handzahmen Hochlandterriers und es trippelte dicke schwerfällige Tropfen vom Himmel, träge wie die Wurstfinger einer üppigen Kassiererin in einem 1000-Mann-Kaff Minimarkt. Nun,  so wäre es bestimmt gewesen... am Mittwoch. Aber eigentlich war es Montag und draußen recht freundlich.
Heribert Uhlenstein langweilte sich in seinem schäbigen Mietbüro rum und ließ ordentlich hängen. Das Zimmer war diesig. Nicht das es an elektrischen Einrichtungen mangelte, jedoch betrachtete Frau Wubb, Heriberts Sekretärin, alles Elektrische über 30 Watt für blasphemisch... oder einfach nur uncool. Jedenfalls weigerte sie sich partout etwas anderes zu kaufen. Demonstratives „Im dunkeln Sitzen“ durch Heribert bei zugezogenen Vorhängen und aktiviertem mürrischem Blick brachten nur wenige Erfolge.
Frau Wubb war eine fleischgewordene Mischung aus Sahnebesät und einem Gebrochendeutsch eines mittelschweren Verkehrsunfalls. Ihr Einstellungsgespräch mit Herri bestand aus der Frage: „Hey! Arbeiten?“, worauf sie Herri, mit der Gutgläubigkeit einer sizilianischen Nonne,  in ein modriges Viertel zu seinem Büro folgte. Frau Wubbs permanentes Geschnatter, in einer Sprache die irgendwo, bedenklich weit weg, gesprochen werden musste, und Herris zeitbombenartiges Schweigen bestimmten seit her die gewohnte Beziehung zwischen den Beiden.
Frau Wubb unterließ es sich in die geschäftlichen oder privaten... eigentlich in alle Angelegenheiten von Herri einzumischen, während er es inzwischen aufgab ihr irgendwelche Anweisungen zu erteilen, Geschweige denn auch nur anstandsvoll zu rülpsen sollte Frau Wubb eines Tages spontan platzen.

  Herri saß am Schreibtisch und hockte auf einem 30€ Discount-Möbel Drehstuhl der nur noch von selbstgefälliger Sturheit zusammengehalten wurde als durch die drei schimmlig alten Schrauben die im Stuhlbein inbrünstig oxidierten. Den Spitznamen Herri bekam er von seinem Freunden, d.h. von Leuten die bestraft waren aus verschiedenen Gründen mit ihm kommunizieren zu müssen., wie z.B. erstgradige Verwandtschaft, Schulden eintreiben oder der sinnlose Drang Herri wehtun zu wollen... oder alles zusammen.
Der kleine Fernseher auf dem Schreibtisch musste sich schon beim Anblick eines versteinerten drittklassigen Tankstellen-Überwachungsbildschirm schämen, doch auch heute zeigte er furchtlos Wiederholungen von Ruck-Zuck. Wie die meisten Menschen empfand auch Herri es genugtuend andere für doof erklären zu können.
Der Tag versprach eine weitere Suizid fördernde Maßnahme zu werden, bis es an der Bürotür klopfte...

  „Ja?“, sagte Herri ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. Er stellte sich innerlich darauf ein einen weiteren Gläubiger zutexten zu müssen oder Prügel von einem zu beziehen der bereits letztes mal von ihm zugetextet wurde. Die Tür schwang auf und es trat zu Herris Überraschung eine junge Dame ein, vielleicht Mitte Zwanzig und leicht gruftig, dunkel gekleidet. Nicht das sie dadurch unattraktiv wirkte, im Gegenteil. In Herris Körper drängelten mehrere, meist nicht für die Lebenserhaltung notwendigen, Systeme darauf den Altersunterschied von mehr als Fünfzehn Jahren zu ignorieren und peinliche Annäherungsversuche zu starten.
Die Dame nahm im ersten Moment keine Notiz von Heribert, was daran lag, dass sie von der ewig keifenden Frau Wubb gefolgt wurde. Das Gebrabbel das sie von sich gab, handelte immer von irgendwelchen Zuständen zu Hause in Puerto Rico, der Weigerung Herris ihr vielleicht auch mal Gehalt zu zahlen oder davon wie es ihren mindestens 27 Kindern ging. Das zumindest meinte Herri von den vielen Wortfetzen die aus Frau Wubbs rettungsringartigen Lippen blubberten, verstanden zu haben.
Die junge Dame hielt eine Augenbraue hoch und inspizierte mit ganzer Aufmerksamkeit Frau Wubb. Ihr Blick nannte Empfindungen wie Faszination, Unverständnis und angedeutete Panik. Keine ungewöhnliche Reaktion für jemanden der das erste Mal mit Frau Wubb zutun hatte.
  Die Tür ging wieder zu und man konnte noch einige Sekunden die energischen Selbstgespräche von Frau Wubb hören bis sie im Gang verblassten. Die junge Dame blickte mit entsetzt fragenden Blick auf Herri und zeigte mit dem Daumen auf die Tür als wollte sie sagen: „Was zur Hölle war das?“ worauf Herri mit einem verständnisvollen Nicken und Blinzeln zu verstehen gab: „Is schon gut, einfach nicht drüber nachdenken.“
  „N’abend. Setzen sie sich doch,  Frau... äh...“, fragte Herri während er den Fernseher abschaltete.
  „Feucht, Daniela Feucht.“, sagte Frau Feucht.
Der Pegel von Herris Augenbrauen wanderte einige Millimeter näher Richtung Zimmerdecke. Die angesprochenen Systeme in ihm grölten gemeinschaftlich los wie eine Horde Schalkefans die Freibier in einer Nacktbar vermuteten. Die hauseigene Security konnte die Meute gerade noch ruhig halten.
  „Sie können mich Danny nennen“, ergänzte Danny.
  „Und was kann ich für sie tun, Danny?“, fragte Herri als er versuchte sich auf alte runzlige Nonnen zu konzentrieren.
  „Sie sollen jemanden für mich überwachen.“
  „Wenn’s sonst nichts ist. Wen?“
  „Günther Bercher. Ich glaube er will mich umbringen.“
  „Ein Freund von ihnen? Warum glauben sie er will sie töten?“
  „Wir gingen getrennte Wege. Ich behielt seinen Kater: Puschel.“
  „Jemand will sie umbringen wegen einer Katze?!?“, fragte Heribert überrascht darüber das ihn noch etwas überraschen konnte.
  „Er hing sehr an dem Tier.“, antwortete sie sanft mit einem leicht miesen Lächeln.
  „Und Zurückgeben wäre da nicht eine recht annehmliche Option?“
  „Werden sie mir helfen?“, ignorierte Danny die sarkastische Bemerkung von Herri.
  „Nun mal langsam.“, bremste Herri und machte wedelnde Bewegung mit seinen Handflächen um mitzuteilen das ihm das ein wenig zu schnell ging. „Wo kann ich diesen Bercher denn überhaupt finden? Wo arbeitet oder lebt er?“
Danny griff zu ihrer Gesäßtasche und lies ein Bündel Scheine auf den Tisch fallen. Herris Augen folgten weit offen dem Bündel. Er konnte nicht sofort feststellen um wie viel es sich handelte  und ein Teil seines Gehirns den er hätte zum zählen brauchen können, war noch damit beschäftigt, enttäuscht darüber zu sein das die Wölbung an Dannys Gesäß nicht ausschließlich von ihrem Gesäß herrührte. Jedenfalls schien es genug Geld zu sein um zeitweilig die eigenen Prioritäten wie Essen oder Auf-Klo-Gehen nach unten zu verschieben. Herri spitzte seine Lippen als versuchten sie den Rest des Gesichtes von der Harmlosigkeit eines solchen Angebots zu überzeugen. Seine Stirn übte noch ein wenig Widerstand aus gab aber schließlich nach.
  „Günther finden sie in der Roststrasse 8. in einem Laden der sich „Zur wilden Sau“ nennt. Ihm gehört der Laden. Hier ist meine Nummer. Rufen sie an wenn sie etwas herausgefunden haben.“  Danny legte einen Zettel mit ihrer Handynummer auf den Tisch, stand auf und ging still und süßlächelnd zur Tür. Herri sagte nichts weiter und starrte nur auf das Bündel Geldscheine. Wie eine breite Menge anderer Leute nörgelte auch Herri ständig am Euro rum und predigte hingebungsvoll davon wie schön doch die D-Mark war und wie ach so teuer ja alles geworden sei, aber nehmen sie doch mal mehrere Tausend Euro in die Flossen und behaupten sie dann noch kackfrech, das Geld gefiele ihnen nicht! Im Moment jedenfalls hatte Herri nur das Bedürfnis damit kurz allein zu sein und ein wenig nachzudenken.

  Noch vor ein paar Minuten war seine beste Zukunftsprognose von einer wohlwollenden Planierraupe überfahren zu werden. Jetzt hatte er auf einmal Arbeit und äußerst sonderbare noch dazu. Wäre sein Selbsterhaltungstrieb nicht schon längst, über die Jahre, auf die Größe von Dillkraut  geschrumpft, hätte er sich sicher gemahnt, besser die Finger von einem derartig suspekten Stuss zu lassen. Doch im Moment war es das Beste was ihm passieren konnte.

Herri saß noch eine Weile still da und beschloss dann er bräuchte erst mal ein Erzeugnis aus gegorenen Früchten und frische Luft.
Das Geld deponierte er in Minisafe unterm Schreibtisch, zog seinen Mantel an und ging die Bürotür raus auf den Gang.
  „Frau Wubb, streichen sie meine weiteren Termine für heute und canceln sie das Meeting mit dieser Firma da, sie wissen schon. Und die Kaffeemaschine müsste mal wieder gefüllt werden. Ich bin spazieren.“, teilte Herri im Vorbeigehen Frau Wubb mit die fortwährend plapperte und keifte, wahrscheinlich über den miesen Arbeitsplatz oder über den Zustand ihrer 49 Kinder. Keiner von beiden kümmerte sich auch nur ansatzweise darum was der andere da eigentlich sagte. Herri hatte auch weder Termine noch irgendein Meeting. Er fand es einfach nur lustig und war der Meinung das eine ordentliche Detektei so eine „Empfangsdame“ bräuchte. Frau Wubb schien scheinbar von den paar Kröten die sie von Herri, zum Kaffee und Glühbirnen holen, bekam ihre Familie ernähren zu können. Heribert fiel jedenfalls kein anderer Grund ein weswegen sie nicht schon längst die Bude laut lachend abgefackelt hatte und anschließend das Weite suchte.

  Herri ging die Treppen vom 4.Stock herunter und betrat die Fritz-Schlichter Strasse.


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